Was gibt es Neues? E-Mail

Neu ist der kleine Essay "Zum Unterschied von 'links' und 'rechts'". Davor der Vortrag "Wie man sich denkt, so liebt man? Zur metaphysischen Konstruktion sexueller Orientierung" aus dem Jahre 1994. Und Anmerkungen (2019) dazu.

Davor gab es einen Brief aus dem Jahr 2000 "Über den Poststrukturalismus". Davor "33 Vorschläge zur Verbesserung der Welt". Und davor "Eine kleine Theodizeeverweigerung" und Anmerkungen dazu.

Was man auf diesen Seiten sonst noch so alles findet, ist leicht anhand des Hauptmenüs rechter Hand herauszubekommen. Kommentare zu den hier veröffentlichten Texten sind übrigens immer willkommen!

Stefan Broniowski

 
Zum Unterschied von „links“ und „rechts“ PDF Drucken E-Mail

Befragt, was der Unterschied von (politisch) „links“ und „rechts“ sei, pflegt ein Bekannter von mir zu antworten: Links, das heiße: „Es muss für alle reichen“, rechts: „Es reicht nicht für alle“. Ich finde diese Umschreibung sympathisch, aber problematisch und unzureichend und versuche hier zu erklären, warum.

Sympathisch ist mir die Gegenüberstellung der Formeln, weil sie soziökonomisch verfährt, also die soziale Frage stellt und ökonomisch beantwortet. Problematisch finde ich, dass Politik damit als Verteilungsproblem erscheint: Reicht es für alle? Kann, soll, muss es für alle reichen? Gesellschaft ist aber mehr als Verteilung von Gütern. Politik, verstanden als die Gestaltung des menschlichen Zusammenlebens, bezieht sich, um ein anderes Bild zu gebrauchen, nicht aufs Brot allein, sondern auch auf Worte, die aus Mündern kommen, und hier ist, noch ein Bild, die Moral nicht einfach eine Funktion des Fressens (und Gefressenwerdens), sondern die Fragen von Sein und Sollen, Dürfen und Müssen, Nichtdürfen und Nichtmüssen sind den Fragen der materiellen Versorgung meinem Verständnis nach vorgeordnet.

Eine Gesellschaft wäre denkbar, in der es durchaus für alle reicht, alle gut versorgt sind, es niemandem an Befriedigung der Grundbedürfnisse und vieler weiterer mangelt, in der aber Unfreiheit herrscht und totale Fremdbestimmung. Wäre das ein „linkes“ Modell? Ist das der Sozialismus, von dem so viele geträumt haben und einige noch träumen? Ist das der Grund, warum Verbrechen im Namen einer besseren Gesellschaft begangen wurden und werden? Ich sage es ganz klar: Lieber arm und frei als wohlhabend und unfrei. Eine Bestimmung von „links“, die nur auf Wohlfahrt ausgerichtet ist, aber nicht auf Freiheit, genügt mir nicht.

Andererseits scheint mir keine Gesellschaft denkbar, in der es nicht für alle reicht und die trotzdem jedem Selbstbestimmung und freie und gleiche Teilhabe an der bewussten Gestaltung der gesellschaftlichen Angelegenheiten ermöglicht. Wirtschaftliche Ungleichheit ist politische Ungleichheit. Insofern schlägt mein Herz links, wie man sagt.

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33 Vorschläge zu Verbesserung der Welt PDF Drucken E-Mail

1. Tut Gutes und unterlasst Böses.
2. Behandelt andere so, wie ihr von ihnen behandelt werden wollt.
3. Tötet keine Menschen.
4. Hört auf zu lügen.
5. Betrügt weder euch selbst noch andere.
6. Achtet das rechtmäßige Eigentum anderer.
7. Helft einander, wenn ihr könnt.
8. Nehmt Rücksicht.
9. Kümmert euch umeinander, aber belästigt einander nicht.
10. Seid höflich, aber nicht heuchlerisch.
11. Seid bescheiden und sogar demütig, aber nicht selbstquälerisch.
12. Seid großzügig, wenn ihr könnt, und sparsam, wenn ihr müsst.
13. Arbeitet miteinander, nicht gegeneinander.
14. Beutet einander nicht aus.
15. Belastet eure natürliche Umwelt so wenig wie möglich.
16. Greift in die natürlichen Verhältnisse nach Möglichkeit nur so weit ein, dass eure Eingriffe reversibel sind.
17. Nützt natürliche Ressourcen nach Möglichkeit so, dass das, was ihr verbraucht, erneuerbar ist.
18. Duldet keine Einkommensunterschiede, solange nicht alle gemeinsamen Aufgaben erledigt und die Grundbedürfnisse von jedem befriedigt sind.
19. Gestaltet euer Zusammenleben so, dass niemand von anderen beherrscht wird.
20. Entscheidet gemeinsam, was alle angeht.
21. Lasst jeden über seine eigenen Angelegenheiten selbst entscheiden.
22. Unterstützt die Schwachen und nützt die Starken.
23. Seht einander eure Schwächen nach und setzt eure Stärken füreinander ein.
24. Nützt eure schöpferischen Kräfte, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen.
25. Erwerbt vorhandenes Wissen und versucht, neues zu entdecken.
26. Bewundert das Schöne und versucht, es zu vermehren.
27. Bedenkt eure Endlichkeit und die der anderen.
28. Empört euch über Unrecht und engagiert euch dagegen.
29. Kritisiert, damit etwas besser wird.
30. Lobt Gelungenes und gute Absichten.
31. Nennt Missstände beim Namen und geht gegen sie vor.
32. Seid aufrichtig, unbestechlich und selbstkritisch.
33. Trauert über Trauriges, lacht über Lustiges, aber seid vor allem heiter, freundlich und aufmerksam.

 
Wie man sich denkt, so liebt man? PDF Drucken E-Mail

Zur metaphysischen Konstruktion sexueller Orientierung

Hier bin ich. Wäre ich nicht hier, wäre ich anderswo.

Die Orientierung zu verlieren heißt so viel wie: die Richtung zu verlieren, nicht zu wissen, wo man sich befindet.

Das Begehren ist der Wunsch nach Veränderung.

Um bestimmen zu können, wo ich bin, muss ich erst feststellen, wo etwas anderes ist.

Das Ungewohnte regt weit eher zum Denken an als das Gewohnte.

Wenn ich es recht bedenke, versteht sich das Selbstverständliche keineswegs von selbst. Irgendetwas bewirkt, dass ich verstehe, was ich, wenn ich’s recht bedenke, gar nicht verstehe.

Darüber zu sprechen, was Sexualität sei, sprengte den Rahmen dieses Vortrages. Deshalb sei es hier versucht.

Freud schreibt in der XX. seiner „Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse“: „Im ganzen sind wir ja nicht ohne Orientierung darüber, was die Menschen sexuell heißen. / Etwas, was aus der Berücksichtigung des Gegensatzes der Geschlechter, des Lustgewinnes, der Fortpflanzungsfunktion und des Charakters des geheimzuhaltenden Unanständig zusammengesetzt ist, wird im Leben für alle praktischen Bedürfnisse genügen. Aber es genügt nicht mehr in der Wissenschaft.“

Sexualität ist Sexualität ist Sexualität.

Hier bin ich und man hört mir zu. Ich denke vor und andere denken nach.

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Eine kleine Theodizeeverweigerung PDF Drucken E-Mail

Wie kann Gott das alles zulassen? Wie kann er zulassen, dass kleine Kinder an Hunger krepieren, dass völlig unschuldige Menschen in Kriegen zerfetzt und verstümmelt werden, dass Krankheiten, die eigentlich behandelbar wären, Unzählige dahinraffen? Wie kann Gott zulassen, dass Menschen in Elend und Not leben und ohne Aussicht auf Besserung? Wie kann Gott Ausbeutung und Umweltzerstörung zulassen, wie all den Hass und all die Hetze? Warum lässt Gott zu, dass Menschen einsam und unglücklich sind, dass sie Krebs bekommen oder bei einem Autounfall sterben? Wieso gibt es Erdbeben, Vulkanausbrüche und Überschwemmungen? Wie kann es all das Unrecht und Leid auf der Welt geben, wenn es einen gerechten und liebevollen Gott gibt? Wenn er nichts dagegen tun kann, wie kann er dann allmächtig sein? Wenn er nichts dagegen tun will, wie kann er dann gut sein?
Ich finde all diese Fragen, ehrlich gesagt, ziemlich dreist. Sieht man sich die Übel dieser Welt nämlich genauer an, so erkennt man: In erster Linie sind es Menschen, die anderen Menschen Leid zu fügen. Menschen sind es, die Menschen töten, verstümmeln, quälen, entrechten, entwürdigen. Menschen sind es, die Menschen ausbeuten und unterdrücken, die einander belügen und bestehlen, die systematisch die Umwelt zerstören und mit Techniken hantieren, deren Risiken sie nicht beherrschen können. Menschen führen ihr Leben so, dass sie (und andere) krank werden, Unfälle haben, einsam sterben. Menschen bauen Häuser, die bei Erdbeben zusammenbrechen, Menschen siedeln am Rand von Vulkanen oder in Überschwemmungsgebieten. Dass sie all nicht immer ganz freiwillig tun, sei unbedingt zugestanden, aber auch dann sind es letztlich Menschen, die andere Menschen unmittelbar und mittelbar dazu zwingen, unter Bedingungen zu leben, die sie gefährden, schädigen oder töten.
Und da traut man sich im Ernst zu fragen, wieso Gott das zulässt? Er lässt es zu, weil er den Menschen einen freien Willen und ein Gewissen geschenkt hat, sodass sie handeln und ihr Handeln beurteilen können. Handlungen aber haben nun einmal Folgen. Und zwar nicht nur für den Handelnden. Wenn die einen ein Atomkraftwerk ans Meer bauen, um Profit damit zu machen, werden andere verstrahlt, wenn ein Tsunami über das Atomkraftwerk hinwegschwappt. Das ist nicht gerecht, das ist böse. Aber es sind Menschen, die etwas getan und gelassen haben, es waren ihre Entscheidungen, die zu bestimmten Folgen geführt haben. Verlangt man nun von Gott, dass er die Menschen am Handeln hindert? Dann wären sie keine Menschen, sondern Marionetten. Verlangt man von Gott, dass er nur gute Handlungen zulässt, aber böse verhindert? Dann wären die Menschen unfrei. Verlangt man von Gott, dass er zwar alle Handlungen zulässt, aber alle bösen Folgen verhindert? Dann lebten die Menschen nicht in der Wirklichkeit.
Ich bringe zur Veranschaulichung gern dieses Beispiel: Wenn ich einen Nagel in die Wand schlagen will und mir dabei mit dem Hammer sehr schmerzhaft auf den Daumen haue, wäre es ja wohl lächerlich zu fragen: Warum hat Gott das zugelassen? Ich muss es offensichtlich meinem eigenen Ungeschick zuschreiben, dass ich mir Schmerz zugefügt habe. Da geht es um etwas Prinzipielles: Wenn ich akzeptiere, dass die Welt so eingerichtet ist, dass ich mit ein wenig Geschick einen Nagel in eine Wand schlagen kann, dann muss ich auch akzeptieren, dass mein Ungeschick dazu führen kann, dass ich nicht den Nagel, sondern den Daumen treffe. So ist die Welt nun einmal eingerichtet, es sind dieselben physikalischen Voraussetzungen, auf die ich vertraue. Ich akzeptiere sie, wenn ich etwas kann und etwas klappt, also kann ich mich nicht bei ihrem Schöpfer beschweren, wenn etwas durch mein Unvermögen nicht klappt.
Dasselbe gilt, wenn jemand anderes für mich den Nagel hält, den ich einschlagen will, und ich den Daumen dieser anderen Person treffe. Für deren Schmerz bin ich verantwortlich, auch wenn ich ihn ganz bestimmt nicht wollte. Ihr widerfährt Leid, ohne dass sie daran schuld wäre. (Obwohl sie den Nagel vielleicht besser nicht gehalten hätte, aber vielleicht habe ich sie gezwungen oder überredet.) Wie lächerlich wäre es nun, in einer solchen Situation anklagend auszurufen: Gott, wie konntest Du zulassen, dass ich jemandem mit dem Hammer kräftig auf den Daumen haue!

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