Über Klaus Berndls „Feindberührung“ PDF Drucken E-Mail

Zwei jungen Soldaten, ein Deutscher und ein Russe, werden in einer vom Krieg völlig verwüsteten Gegend in einem Keller verschüttet. Aus Feinden werden Liebhaber, die ihr Zusammensein verteidigen, auch mit Gewalt. Am Ende kommen sie um. Das ist, knapp zusammengefasst, die in „Feindberührung“ erzählte Geschichte. Doch selbstverständlich ist nicht entscheidend, was, sondern wie erzählt und beschrieben wird
Um nun die Eigenart des Textes näher bestimmen zu können, muss man zunächst einmal ganz deutlich sagen: Es handelt sich bei „Feindberührung“ nicht, wie der Untertitel behauptet, um einen Roman, denn das epische Moment fehlt fast völlig. (Das Etikett „Roman“ hat der Verlag vielleicht nur deshalb hinzugesetzt, weil die Leute nicht gerne Literatur kaufen, die nicht so betitelt ist.) Es handelt sich auch nicht um eine Novelle, obwohl der Text durchaus deren bekannter Definition — „unerhörte Begebenheit“ — zu genügen vermöchte. Ja, es stellt sich die Frage, ob es sich bei „Feindberührung“ überhaupt um Prosa handelt oder nicht vielmehr um eine Art Gedicht.
Dafür spricht manches: Der Gestus des Textes ist höchst expressiv. Oft werden bloß Satzfetzen und Wörter aneinander gereiht, syntaktische Regeln gelten zuweilen nicht viel, worum es geht, ist die Intensität des Ausdrucks. Erzählt und beschrieben wird nicht aus epischer Distanz, sondern der Leser wird hineingetrieben in eine an alle Sinne appellierende Erfahrung. Zwar erscheint der Text, der ja doch einer narrativen Linie folgt, durchaus realistisch und will nicht vordergründig „poetisch“ sein. Doch die ungeheure Dichte vieler Stellen macht zu schaffen. — Woher der sprachmächtige Autor im Übrigen die Vorstellungskraft nimmt, die Wirklichkeit des Krieges vorzuführen, um sie nachvollziehbar zu machen, bleibt rätselhaft, denn aus eigenem Erleben kann derlei kaum stammen, er ist Jahrgang 1966.
Der starke Text gibt auch sonst Rätsel auf. Zum Beispiel könnte man sich fragen, welcher Krieg da eigentlich stattfindet. Zunächst wird man wegen der Erwähnung von Grabenkämpfen und von Deutschen und Russen (statt Deutschen und Sowjets) an den Ersten Weltkrieg denken wollen. Dann wiederum spricht manches, etwa das Vorkommen von Panzern, für den Zweiten Weltkrieg. Die eingestreute Jahreszahl 1937 scheint das zu bestätigen, aber dann wird auch 1953 genannt und der Leser verliert völlig den historischen Boden unter den Füßen. Die Uniforn des Russen weist einen Doppeladler auf, die des Deutschen den Bundesadler. Geht es also um einen russisch-deutscher Krieg der Zukunft? Oder will der der Autor das Geschehen einfach in unbestimmter Zeit ansiedeln, wie ja auch der Ort geographisch unbestimmt bleibt?

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