Eine kleine Theodizeeverweigerung PDF Drucken E-Mail

Wie kann Gott das alles zulassen? Wie kann er zulassen, dass kleine Kinder an Hunger krepieren, dass völlig unschuldige Menschen in Kriegen zerfetzt und verstümmelt werden, dass Krankheiten, die eigentlich behandelbar wären, Unzählige dahinraffen? Wie kann Gott zulassen, dass Menschen in Elend und Not leben und ohne Aussicht auf Besserung? Wie kann Gott Ausbeutung und Umweltzerstörung zulassen, wie all den Hass und all die Hetze? Warum lässt Gott zu, dass Menschen einsam und unglücklich sind, dass sie Krebs bekommen oder bei einem Autounfall sterben? Wieso gibt es Erdbeben, Vulkanausbrüche und Überschwemmungen? Wie kann es all das Unrecht und Leid auf der Welt geben, wenn es einen gerechten und liebevollen Gott gibt? Wenn er nichts dagegen tun kann, wie kann er dann allmächtig sein? Wenn er nichts dagegen tun will, wie kann er dann gut sein?
Ich finde all diese Fragen, ehrlich gesagt, ziemlich dreist. Sieht man sich die Übel dieser Welt nämlich genauer an, so erkennt man: In erster Linie sind es Menschen, die anderen Menschen Leid zu fügen. Menschen sind es, die Menschen töten, verstümmeln, quälen, entrechten, entwürdigen. Menschen sind es, die Menschen ausbeuten und unterdrücken, die einander belügen und bestehlen, die systematisch die Umwelt zerstören und mit Techniken hantieren, deren Risiken sie nicht beherrschen können. Menschen führen ihr Leben so, dass sie (und andere) krank werden, Unfälle haben, einsam sterben. Menschen bauen Häuser, die bei Erdbeben zusammenbrechen, Menschen siedeln am Rand von Vulkanen oder in Überschwemmungsgebieten. Dass sie all nicht immer ganz freiwillig tun, sei unbedingt zugestanden, aber auch dann sind es letztlich Menschen, die andere Menschen unmittelbar und mittelbar dazu zwingen, unter Bedingungen zu leben, die sie gefährden, schädigen oder töten.
Und da traut man sich im Ernst zu fragen, wieso Gott das zulässt? Er lässt es zu, weil er den Menschen einen freien Willen und ein Gewissen geschenkt hat, sodass sie handeln und ihr Handeln beurteilen können. Handlungen aber haben nun einmal Folgen. Und zwar nicht nur für den Handelnden. Wenn die einen ein Atomkraftwerk ans Meer bauen, um Profit damit zu machen, werden andere verstrahlt, wenn ein Tsunami über das Atomkraftwerk hinwegschwappt. Das ist nicht gerecht, das ist böse. Aber es sind Menschen, die etwas getan und gelassen haben, es waren ihre Entscheidungen, die zu bestimmten Folgen geführt haben. Verlangt man nun von Gott, dass er die Menschen am Handeln hindert? Dann wären sie keine Menschen, sondern Marionetten. Verlangt man von Gott, dass er nur gute Handlungen zulässt, aber böse verhindert? Dann wären die Menschen unfrei. Verlangt man von Gott, dass er zwar alle Handlungen zulässt, aber alle bösen Folgen verhindert? Dann lebten die Menschen nicht in der Wirklichkeit.
Ich bringe zur Veranschaulichung gern dieses Beispiel: Wenn ich einen Nagel in die Wand schlagen will und mir dabei mit dem Hammer sehr schmerzhaft auf den Daumen haue, wäre es ja wohl lächerlich zu fragen: Warum hat Gott das zugelassen? Ich muss es offensichtlich meinem eigenen Ungeschick zuschreiben, dass ich mir Schmerz zugefügt habe. Da geht es um etwas Prinzipielles: Wenn ich akzeptiere, dass die Welt so eingerichtet ist, dass ich mit ein wenig Geschick einen Nagel in eine Wand schlagen kann, dann muss ich auch akzeptieren, dass mein Ungeschick dazu führen kann, dass ich nicht den Nagel, sondern den Daumen treffe. So ist die Welt nun einmal eingerichtet, es sind dieselben physikalischen Voraussetzungen, auf die ich vertraue. Ich akzeptiere sie, wenn ich etwas kann und etwas klappt, also kann ich mich nicht bei ihrem Schöpfer beschweren, wenn etwas durch mein Unvermögen nicht klappt.
Dasselbe gilt, wenn jemand anderes für mich den Nagel hält, den ich einschlagen will, und ich den Daumen dieser anderen Person treffe. Für deren Schmerz bin ich verantwortlich, auch wenn ich ihn ganz bestimmt nicht wollte. Ihr widerfährt Leid, ohne dass sie daran schuld wäre. (Obwohl sie den Nagel vielleicht besser nicht gehalten hätte, aber vielleicht habe ich sie gezwungen oder überredet.) Wie lächerlich wäre es nun, in einer solchen Situation anklagend auszurufen: Gott, wie konntest Du zulassen, dass ich jemandem mit dem Hammer kräftig auf den Daumen haue!

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