Geratende Verfahren, verfahrende Geräte Drucken

Zu Begriffen von Technik und ihren Folgen

von Stefan Broniowski


Wissenschaft und Technologie fallen nicht vom Himmel.
Sie wurden von Menschen wie unsereinem gemacht.
Wenn Wissenschaft und Technologie nicht für uns tun,
was wir wünschen, haben wir das Recht und die Verantwortung,
dies zu ändern. Dazu benötigen wir eine klare Vorstellung,
was wir von Wissenschaft und Technik wollen und den Mut,
aufzustehen und etwas dafür zu tun.
Mike Cooley

 

Was ich hier in diesem Beitrag versuchen möchte, ist zunächst, zwei von einander zu unterscheidende und auf einander zu beziehende Begriffe von Technik zu erörtern, nämlich die schon im Titel angedeuteten Begriffe von Technik als Verfahren und Technik als Gerät. Verfahren nenne ich dabei jede Handlungsweise, bei der etwas mit etwas getan wird, bei der also beispielsweise Geräte erfunden, hergestellt, in Umlauf gesetzt oder schlicht benützt werden, während ich Gerät als Oberbegriff für Werkzeuge, Apparate und Maschinen aller Art verwende. Ich werde des Weiteren versuchen, darzulegen, dass das Verständnis von Technik als Verfahren, also als menschlich Praxis, als primär gelten darf, und dass das Verständnis von Technik als Gerät, also als Ding, dem nachgeordnet ist. Anders gesagt, meiner Auffassung nach ist der Gebrauch von etwas eben diesem Etwas, also dem Mittel des Gebrauchs, vorgängig. Daraus folgt, wie ich dann darlegen möchte, dass die für die modernen Gesellschaften üblicherweise diagnostizierte Technisierung, ja Herrschaft des Technischen nicht etwa auf irgendeine dämonische Eigendynamik der Dinge zurückgeht, sondern von Menschen gemacht wird, dass es also nach wie vor nicht die technischen Geräte selbst, sondern deren so und so gestalteter Gebrauch ist, der die gesellschaftlichen Verhältnisse bestimmt.
Noch kürzer gesagt: Ich werde versuchen, ausgehend vom Unterschied von Technik als Verfahren und Technik als Gerät einen Primat der Praxis zu behaupten und daraus, nicht zuletzt in der Auseinandersetzung mit Gegenbehauptungen, politische Folgerungen zu ziehen. — So weit also mein Programm. [1]

1. Zwei Begriffe von Technik
Beginnen möchte ich mit der Frage: Was ist Technik? Keine Angst, ich werde hier nicht in der klassischen Manier vieler Philosophen erst eine selbstgebastelte Definition präsentieren, diese dann durch immer kompliziertere Immunisierungsstrategien gegen jeden mir einfallenden Einwand absichern und sie so nach und nach zu einem umständlichen, unhandlichen und unübersichtlichen Gebilde aufblasen, bis diese meine Technikdefinition schließlich streng genommen nur noch auf meinen eigenen Text anwendbar und darum mit jeder anderen Redeweise unvereinbar geworden ist — wodurch sie sich dann zwar ganz wunderbar dazu eignet, den vermeintlich falschen Sprachgebrauch aller anderen zu „kritisieren“, zugleich aber dem gern zitierten Witzwort Heinrich Heines gerecht wird, Philosophie sei der Missbrauch einer Terminologie, die zu diesem Zwecke erfunden wurde.
Wie gesagt, ein solches Verfahren ist, wie man der technikphilosophischen Literatur entnehmen kann, durchaus üblich, ich will hier aber einmal anders an die Frage, was Technik ist, herangehen. Dabei halte ich mich gleichsam an die bekannte Wittgensteinsche These, dass die Bedeutung eines Wortes sein Gebrauch in der Sprache sei, und greife nebenbei eine Überlegung von Armin Grunwald und Yannick Julliard auf, wonach Technik das ist, was gemeint wird, wenn über Technik geredet wird.
Was also sagt man denn, wenn man über Technik redet? Man spricht dann beispielsweise von Tontechnik, Pyrotechnik, Nanotechnik, Mnemotechnik, Kompositionstechnik, Haustechnik, Gentechnik, Erzähltechnik, Elektrotechnik, Bühnentechnik, Atemtechnik, Antriebstechnik, man nennt Schreiben und Lesen Kulturtechniken, man rühmt die Wunder Technik, man sagt einem Unternehmen nach, in ihm komme die neueste Spitzentechnik zum Einsatz, man spricht von Technikfreaks und Technikfeindlichkeit, man ersetzt veraltete Techniken und führt hochentwickelte ein, man unterhält Fachhochschulen für Technik und besucht Technik-Museen, man erörtert die neuesten Techniktrends, man übt Technikkritik, man stellt Fragen an Technikexperten, man zahlt in die Technikerkrankenkasse ein, man rät Sportlern, ihre Technik zu trainieren, man kritisiert an einem Pianisten, seine Technik sei zwar einwandfrei, aber sein Spiel seelenlos, oder umgekehrt, man stellt erfreut fest, dass ein Virtuose das, was er an Technik vermissen lasse, durch Ausdruckskraft wieder wettmache. Man sagt Sätze wie: „Ich habe da meiner eigene Technik.“ Oder: „Die Technik macht heute mal wieder Probleme.“ Oder schlicht: „Scheißtechnik!“
Die Beispiele ließen sich beliebig vermehren, ohne je Vollständigkeit erreichen zu können. Schon in dieser mehr oder minder zufälligen Auswahl aber zeichnen sich meinem Eindruck nach zwei Bedeutungsschwerpunkte ab, um die herum sich die verschiedenen Verwendungen des Wortes Technik gruppieren. Zum einen meint man mit Technik etwas, was man tut: Maltechnik, Entspannungstechnik, Arbeit im gentechnischen Labor usw. Zum anderen meint man mit Technik etwas, was man hat: Heiztechnik, Kommunikationstechnik, technischer Defekt usw. Technik erscheint also mitunter als Tätigkeit, mitunter als Gegenstand von Tätigkeiten. [2]
Dieser Unterscheidung von Technik als Tun und Technik als Ding kommen die von mir zu Rate gezogene Wörterbücher, die den Sprachgebrauch zu systematisieren versuchen, meiner Meinung nach auch mehr oder minder entgegen. Wenn ich deren Systematisierungsversuche [3] meinerseits zu systematisieren versuche, bleibt es aus meiner Sicht dabei: Mit Technik ist einerseits gemeint: Verfahren, Vorgangsweise, Handhabung, Methode usw., wozu allerdings auch das Wissen gehört, wie bestimmte Tätigkeiten auszuüben sind sowie die Einübung in diese Tätigkeiten, bis eine bestimmte Routine oder Kunstfertigkeit erreicht ist. Andererseits ist Technik ein Synonym für die bei technischen Tätigkeiten zum Einsatz kommenden Werkzeuge, Apparate, Maschinen sowie für deren spezifisches Funktionieren. — Kurzum und zum wiederholten Male: Es gibt Technik als Tun und Technik als Ding. Oder wie ich nun einmal gerne sage: Technik als Verfahren und Technik als Gerät. [4]

2. Primat der Praxis (I): Vorfinden und Verwenden
Die Unterscheidung von Technik als Verfahren und Technik als Gerät wird im Reden über Technik üblicherweise leider nur selten so sorgfältig getroffen, wie ich es für die Zwecke dieses Vortrages gerne hätte. Das haben auch die Zitate aus den Wörterbüchern gezeigt. Dort drohen mitunter Mittel und Methoden, Fertigkeiten und Ausrüstungsgegenstände, Wirkungsweisen und Vorgangsweisen munter durcheinanderzupurzeln. Ein solches Wirrwar aber ist philosophisch höchst ungehörig. Darum ist mit geradezu ontologischer Strenge darauf zu bestehen, dass die die Art und Weise, wie man etwas tut, nicht dasselbe ist wie das, womit man es tut. Handlungen und Dinge, technische Verfahren und technische Geräte sind unbedingt zu unterscheiden.
Nun ist freilich gar nicht zu bestreiten, dass die Wahl der Mittel eine Verfahrensweise bedingen und bestimmen kann. Es ist ein Unterschied, ob man Fische mit bloßen Händen fängt oder mit einem Speer oder mit einer Angelrute oder mit einer Stange Dynamit. Das jeweils zum Einsatz kommende Mittel affiziert und modifiziert das Verfahren, in dem es zum Einsatz kommt, ja es charakterisiert das Verfahren geradezu. Allerdings werden Vorgangsweisen von ihren Mitteln eben nur mitbestimmt, nicht völlig determiniert, denn mindestens ebenso wesentlich sind die Zwecke, auf die das Vorgehen gerichtet ist. Es sind in der Regel sogar primär die Zwecke, die die Wahl der Mittel bestimmen, während umgekehrt der Umstand, welche Mittel zur Verfügung stehen, zwar über die Erfüllbarkeit von Zwecken bestimmt, nicht aber über diese selbst.
An dieser Stelle möchte ich betonen, dass ich den Begriff des Zweckes möglichst weit gefasst wissen möchte. Zweck gilt mir ganz allgemein als das, was mit einer Handlung, sei es dem Handelnden bewusst oder nicht, erreicht werden soll. Bezogen auf Technik meint das nun eben gerade nicht nur das, was oft vordergründig als technischer Zweck verstanden wird. Ein Automobil ist eben nicht nur Verkehrsmittel, es zu besitzen und zu verwenden hat außer dem Zweck der Fortbewegung für gewöhnlich unter anderem auch noch die Zwecke der Wunscherfüllung, des sozialen Statusgewinns, der Geldanlage usw. Das Funktionieren ein Automobils ist also auch nicht auf das rein Technische beschränkt, und selbst ein Auto, mit dem man nicht mehr fahren kann, kann immer noch Zwecke erfüllen, eben indem sein bloßer Besitz die Erfüllung eines Jugendtraums, ein Ausdruck von Wohlhabendheit oder eine finanztechnische Investion ist.
So viel vorläufig zu den Zwecken, nun zurück zu den Dingen. Unstrittig ist wohl, dass Dinge stets so und so beschaffen sind und dass ihre Beschaffenheit die Möglichkeiten des Umgangs mit ihnen bestimmt. Es zeichnet die wirklichen Dinge nun einmal aus, dass sie dem menschlichen Wollen und Wünschen nicht einfach willfahren, sondern ihm Widerstand entgegenzusetzen im Stande sind. Dinge begegnen dem Menschen gemeinhin erst, indem er etwas tut. Wobei Tun hier so weit gefasst werden soll, dass es Wahrnehmen und Vorstellen ebenso einbegreift wie Reden und sonstiges in die Wirklichkeit eingreifendes Handeln. Ein Ding, das weder Gegenstand des Wahrnehmens, noch des Vorstellens, noch eines sonstigen Handelns ist, ist gar kein Ding, sondern sozusagen ein Unding. Zumindest lässt sich darüber nichts Sinnvolles sagen. Denn sobald man etwas darüber sagt, ist es ja Gegenstand der Rede, also des Sprachhandelns.
Dinge sind Gegenstände von Handlungen, doch als solche nur bedingt verfügbar. Es ist wie gesagt ihre jeweilige Beschaffenheit, die die Möglichkeiten des an ihnen und mit ihnen Handelns bestimmt. Auch als Mittel von Handlungen sind Dinge aber nicht einfach durch diese Handlungen für immer auf bestimmte Verwendungen festgelegt. Man kann mit den Händen, mit einem Speer, sogar mit einer Angelrute und besonders mit einer Stange Dynamit auch ganz andere Sachen machen, als damit Fische zu töten. Eine Angelrute ist zwar durchaus darauf angelegt, mit ihr zu Angeln. Der beabsichtigte Gebrauch beeinflusst ihre Beschaffenheit, indem sie daraufhin so und so hergestellt wurde. Andererseits kann ich mir eine Angel auch bloß deshalb zulegen, weil ich damit mein Wohnzimmer dekorieren möchte, ohne je damit auch nur einen einzigen Fisch zu fangen.
Ganz allgemein bestimmt wie gesagt die Beschaffenheit von Mitteln ihre Tauglichkeit oder Untauglichkeit für die Zwecke dieses oder jenes Gebrauchs. Man kann vielleicht mit einem Löffel einen Nagel in die Wand schlagen, aber schwerlich mit einem Hammer seine Suppe auslöffeln. Die Tauglichkeit oder Untauglickeit eines Löffels im Hinblick auf bestimmte Zwecke ist demnach eine andere als die eines Hammers. Jedoch legt die jeweilige Beschaffenheit eines Dings, das als Mittel eines Handlung eingesetzt wird oder werden könnte, sozusagen nur gewisse Grenzen fest, es schreibt hingegen die Handlung selbst nicht vor, nötigt sie dem Handelnden nicht auf. Ich kann mit einem Löffel Suppe essen, ich kann mich aber auch damit an der Nase kratzen, allerdings kann ich damit vermutlich kein Stück Braten aufspießen. Das kann ich mit einer Gabel, mit der ich mich andererseits ebenfalls an der Nase kratzen kann, während ich damit wohl kaum meine Suppe vom Teller in den Mund bekomme.
Um es noch einmal deutlich und ganz allgemein zu sagen: Dinge bestimmen die Möglichkeit des Handelns an und mit ihnen, ihre jeweilige Beschaffenheit entscheidet über ihre Tauglichkeit für die Erfüllung von Zwecken, aber sie schreiben weder das Handeln selbst noch die Zwecke von Handlungen vor. Warum ich diese meine Aufassung so betone, wird an anderer Stelle noch deutlich werden.
Für mich ergibt sich aus der relativen Unabhängigkeit des Handelns von seinen Mitteln ein Primat der Praxis. Das Handeln ergreift die so und so beschaffenen Dinge und setzt sie für seine Zwecke ein, wobei sie sich als taugliche oder untaugliche Mittel erweisen können. Zu Mitteln werden sie aber erst durch das Handeln. Dass sie taugliche oder untaugliche Mittel, dass sie Gegenstände von Handlungen sein können, macht sie in gewisser Weise überhaupt erst zu Dingen. Denn Dinge, mit denen man nicht im weitesten Sinne irgendetwas tut, kommen überhaupt nicht vor. Darum wohl hieß im Altgriechischen das Handeln he praxis oder to pragma und das Ding ebenfalls to pragma. Die Dinge, ta pragmata, das ist eben einfach das, womit man es in der Praxis, im Handeln zu tun hat.

3. Primat der Praxis (II): Vorstellen und Herstellen
Der von mir postulierte Primat der Praxis bezieht sich nicht nur darauf, dass die Mittel zwar den Gebrauch, der von ihnen gemacht wird oder werden kann, beeinflussen, aber nicht festlegen, während es umgekehrt Handlungen und deren Zwecke sind, die darüber bestimmen, was überhaupt als taugliches oder untaugliches Mittel in Frage kommt. Der Vorrang des Handelns vor den im Zusammenhang des Handelns vorkommenden Dingen zeigt sich meiner Meinung nach auch daran, dass es Dinge gibt, die nicht bloß vorgefunden und dann zu Gegenständen von Handlungen gemacht werden, sondern auch solche, die es so, wie es sie gibt, überhaupt erst deshalb gibt, weil sie zu bestimmten Zwecken erfunden und hergestellt werden.
Um das anschaulich zu machen, möchte ich ein wenig über die Erfindung des Werkzeuggebrauchs spekulieren. Was die frühen Menschen mit Ästen und anderen Pflanzenteilen gemacht haben mögen, kann dabei völlig offen bleiben, zumal sich naturgemäß von derartig vergänglichen Materialien keine Spuren erhalten haben. Aber steinerne Zeugnisse frühmenschlichen Werkzeuggebrauchs gibt es bekanntlich zuhauf. Wie also könnte man sich die Anfänge vorstellen? Vielleicht fiel irgendwann irgendwo ein Stein mehr oder minder zufällig auf eine Nuss, knackte so deren Schale und machte das essbare Innere zugänglich. Irgendein kluges Köpfchen beobachte das Ereignis und ersetzte das zufällige Fallen des Steines durch ein absichtliches. Siehe da, der Werkzeuggebrauch ward geboren! Selbstverständlich konnte das Verfahren noch verfeinert werden: Statt den Stein einfach über der Nuss fallen zu lassen, konnte man ihn auch in die Hand nehmen und auf die Nuss einschlagen, bis die Schale brach. Zudem konnte man geeignetere von ungeeignetere Steinen unterscheiden und die passenden auswählen. Und dann, dies war der entscheidende Schritt in der Werkzeugherstellung, konnte man zunächst eher wenig geeignete Steine durch Bearbeitung mit anderen Steinen zu nahezu perfekten Nussknackersteinen ummodeln.
Warum nun erzähle ich diese bloß spekulative, aber wohl durchaus plausible Geschichte? Weil sie hoffentlich verdeutlicht, dass dem Gebrauch eines Werkzeuges die Vorstellung vom Gebrauch vorausgeht, ja dass es die durch Beobachtung und Erfahrung geschulte Vorstellung ist, die die Beschaffenheit von Werkzeugen bestimmt, sei es durch Auswahl, sei es durch Herstellung, und dass es eben nicht einfach ein so und so beschaffenes Werkzeug ist, dass seinen Gebrauch unter allen Umständen festlegt.
Nun findet zwar gewiss ein in einer konkreten soziokulturellen Situation befindlicher Mensch bestimmte Werkzeuge bereits vor und muss sie nicht erst erfinden. Allerdings muss er erst durch Erfahrung oder Schulung lernen, wie sie zu gebrauchen sind. Die Werkzeuge selbst bringen ihm ihren möglichen Gebrauch nicht bei und schreiben ihn ihm auch nicht vor. Auf der Grundlage der beim Werkzeuggebrauch gewonnen Erfahrung schließlich kann der Mensch beschließen, dass er von den vorhandenen Werkzeugen anderen, besseren Gebrauch machen oder neue, bessere Werkzeuge entwickeln möchte.
Dass es der Gebrauch oder die Absicht eines Gebrauchs ist, wodurch ein Ding zum Gebrauchsgegenstand, ja unter Umständen überhaupt erst hergestellt wird, bedeutet nun freilich nicht eine freie Verfügbarkeit des Handelns über die Dinge. Wie ich bereits sagte, setzen die Dinge dem menschlichen Verfügungswillen Widerstand entgegen. Dieser Widerstand macht sie als wirkliche Gegenstände überhaupt erst fassbar. Gerade ihre je besondere Gegenständlichkeit bedingt ja aber andererseits auch ihre jeweilige Nützlichkeit, also ihre Tauglichket oder Untauglichkeit für bestimmte Zwecke. Was man mit Dingen machen kann oder nicht machen kann, zeigt sich nun nicht bloß immer erst in der Erfahrung, sondern wird auf Grund von Erfahrung auch oft in der Vorstellung schon vorweggenommen. Solche Vorstellungen können richtig oder falsch, angemessen oder unangemessen, realistisch oder unrealistisch sein. Sie sind jedenfalls eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass es in einer bestimmten soziokulturellen Situation überhaupt zu einem spezifischen Gebrauch von Dingen kommt und dass der Gebrauch sich wandelt und neue Formen annimmt.
Was meine ich damit? Meiner Meinung nach zeigt sich der Primat der Praxis, also der Vorrang des Handelns vor den Dingen, auch daran, dass es ein Handeln mit und an Dingen gibt, das diese verwendet, als wären sie Gebrauchsgegenstände, obwohl sie keine sind, zumindest nicht Gegenstände jenes Gebrauchs, der mit ihnen nachgeahmt und auf diese Weise eingeübt wird. Solches Tun-als-ob, solch nachahmender Dinggebrauch findet beispielsweise immer dann statt, wenn Kinder mit Spielzeug spielen. Ein Spielzeugtelephon ist kein richtiges Telephon, man kann damit nicht telephonieren, aber man kann damit so tun, als ob man telephoniert. Was man übrigens auch mit einer Banane kann, aber so ein richtig tolles Spielzeugtelephon, das vielleicht auch noch blinken und Klingeltöne von sich geben kann, simuliert den Telephongebrauch der Erwachsenen selbstverständlich viel überzeugender.
Als Spielzeug ist ein Ding ein wirkliches Ding. Sein Zweck ist es, Vergnügen zu bereiten und gegebenenfalls auch lehrreich zu sein. Wer es so gebraucht, gebraucht es wirklich. Zugleich aber übt er sich damit in den Gebrauch ganz anderer Dinge ein. Dass dies möglich ist, verweist auf die Bedeutung des menschlichen Vorstellungsvermögens, der menschlichen Einbildungskraft für den Umgang mit Dingen in der Welt.
Stets kann sich der Mensch nämlich viel mehr vorstellen, als ihm die wirkliche Beschaffenheit der ihm zur Verfügung stehenden Dinge zu tun erlaubt. Er kann sich etwas ausmalen, er kann so tun als ob, er kann Neues entwerfen. Die Wirklichkeit muss dem nicht immer folgen. Aber ohne die Phantasie, in die sie eingebettet ist, gäbe es auch keine Technik.
Dafür ließen sich viele Beispiele anführen. Eines, das vielleicht besonders relevant ist, weil es die Weltsicht im Ganzen betrifft, ist die Weltraum-fahrt. Lange bevor es technisch möglich war, unbemannte oder gar bemannte Flugkörper in den Weltraum zu bringen, hat sich die menschliche Vorstellungskraft dieses Themas schon bemächtigt, hat sich Flüge ins All und zu mehr oder minder fernen Himmelskörpern ausführlich vorgestellt — und noch immer hinkt die technische Realisierung hier der Phantasie weit hinterher. Denn während von der Astronomie der erste Exoplanet erst 1992 sicher nachgewiesen werden konnte, empfängt die Menschheit bekanntlich in Literatur und Film schon seit vielen Jahrzehnten Besucher aus fernsten Galaxien oder stattet selbst solche Besuche in Gegenden ab, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat.
Ein anderes Beispiel, dessen Relevanz im Rahmen einer Günther Anders gewidmeten Veranstaltung wohl nicht weiter erläutert werden muss, ist die Atombombe. Die tatsächliche Empirie bezüglich der Wirkung von Nuklearwaffen ist sehr gering. Außer bei einigen Tests sind Atombomben bisher nur zweimal zum Einsatz gekommen. Dadurch starben Hunderttausende Menschen oder leiden bis heute an den Folgen. So schrecklich das ist, die Folgen eines regelrechten Atomkrieges wären noch viel ungeheurer. Allerdings hat ein solcher bisher nicht stattgefunden. Ohne jemals erlebt zu haben, was der wirkliche Einsatz des weltweiten nuklearen Arsenals bedeuten müsste — zumal ein solches Erlebnis schwer zu überleben wäre —, kann man es sich doch gleichwohl mehr oder minder gut und mehr oder minder genau vorstellen. Wissenschaftliche Prognosen, mehr aber noch die in Literatur und Film gebotenen einschlägigen Phantasien tragen ihren Teil dazu bei. Kurz gesagt, von der Atombombe wurde als Waffe nur in Hiroshima und Nagasaki Gebrauch gemacht, aber weit über diesen Gebrauch hinaus ist vorstellbar, welche ungeheure Zerstörung durch Nuklearwaffen möglich ist. Gerade dieses Vorstellenkönnen ist ja der Grund, warum seit 1945 sich so viele Menschen gegen Atomrüstung engagiert haben und noch engagieren. Menschen können sich, im Guten wie im Schlechten, immer weit mehr vorstellen, als sie auch verwirklichen können. Nur deshalb aber, weil sie es sich vorstellen können, können sie überhaupt irgendetwas zweckhaft verwirklichen.

3. Moderne Technik
Bisher war in meinen Ausführungen viel von Dingen und Tätigkeiten, von Verfahren und Geräten, von Werkzeugen und ihrem Gebrauch die Rede, aber nur wenig von Technik und noch überhaupt nicht von dem, was für gewöhnlich der eigentliche Gegenstand der Technikphilosophie im Allgemeinen und der Technikkritik im Besonderen ist: von der modernen Technik.
Moderne Technik ist, darüber lässt sich wohl rasch Einverständnis herstellen, solche Technik, die auf den modernen Naturwissenschaften beruht. Das heißt, dass eine naturwissenschaftliche Weltsicht, ein naturwissenschaftliches Wirklichkeitsverständnis übernommen und als selbstverständlich vorausgesetzt wird und dass naturwissenschaftliche Erkenntnisse praktisch angewandt werden. Was das im Einzelnen bedeutet und welche Folgen es für den Menschen, sein Verhältnis zu sich selbst, zu anderen Menschen und zur Welt hat, das ist von so vielen schon so oft und so vielfältig erörtert worden, dass ich mich hier kurzfassen darf. So viel sei aber immerhin gesagt:
Für die modernen Naturwissenschaften besteht die Welt aus Dingen und den Verhältnissen von Dingen zueinander. Diese Verhältnisse und damit die Dinge selbst sind mehr oder minder erkennbaren Gesetzmäßigkeiten unterworfen, und eben diese Gesetzmäßigkeiten sind es, die die Naturwissenschaften erforschen. Die moderne Technik macht sich naturwissenschaftliche Erkenntnisse insofern zu nutze, als sie die möglichst wirksame Einwirkung von Dingen auf Dinge erstrebt gemäß den vorausgesetzten Gesetzmäßigkeiten.
Für den Zusammenhang von Technik als Verfahren und Technik als Gerät bedeutet das, dass in der modernen Technik Verfahren die Tendenz haben, zu Vorgängen zu werden. Das Bestreben geht dahin, Technik von den Subjekten abzulösen und den Objekten anzunähern. Technische Verfahren geraten zu Geräten, sie verdinglichen sich, materialisieren sich sozusagen. Sie werden immer zahlreicher, immer spezialisierter, immer komplexer, immer unübersichtlicher. Zugleich werden die Geräte selbst immer mehr zu verfahrenden, das heißt, sie nehmen Verfahrensabläufe in sich auf, bedingen sie und werden sogar oft selbsttätig.
Durch diese zunehmende Automatisierung wird der Mensch, der bisher als Herr der Verfahren gelten konnte, zum bloßen Bediener von Maschinen, in der doppelten Bedeutung von Bedienung: Zum einen bedient er sich weiterhin der Geräte für seine Zwecke, zum anderen bedient er sie, wie es ihm die jeweiligen Bedienungsvorschriften auferlegen. Die Normierung von Verfahren ist in der Beschaffenheit der Geräte verdinglicht, deren fachgerechte Verwendung damit einer gleichsam materialisierten Norm unterliegt. Je spezialisierter eine Maschine, desto eingeschränkter sind die Möglichkeiten ihres Einsatzes, desto wirksamer aber kann sie auch sein. Und möglichst hohe und möglichst rasche Wirksamkeit ist das Kriterium des Dinggebrauchs in der modernen Technik.
Dabei wird Wirksamkeit immer weniger menschlicher Tätigkeit als vielmehr der Leistungsfähigkeit von Geräten zugeschrieben und zugetraut. Erscheint der Mensch im naturwissenschaftlichen Weltbild ohnehin bloß noch als Ding unter Dingen, so bekräftigt die moderne Technik diese Sicht in der Praxis, indem sie dem Menschen nicht nur Dinge zur Verfügung stellt, sondern ihn dazu einlädt, sich selbst, seine Mitmenschen und alles ihm in seiner Welt begegnende wie mehr oder minder steuerbare Dinge zu behandeln.

5. Zur Frage der Eigendynamik der modernen Technik
Verfahren geraten zu Vorgängen, Geräte verfahren wie Handelnde: Das ist die Situation, in der sich der moderne Mensch wiederfindet. Er erlebt sich als eingebunden in ein System von Geräten, die einerseits hoch spezialisiert sind und deren Funktionsweisen sich allenfalls noch Fachleuten erschließen, die andererseits durchaus auf einander bezogen sind und einen mehr oder minder geschlossenen Wirkungskreis abstecken. Geräte nehmen dem Menschen Arbeiten ab, die er ohne sie entweder gar nicht oder nicht so wirksam oder nicht so schnell verrichten könnte. Der moderne Mensch verlässt sich auf seine Geräte und weiß und fühlt sich ohne sie verlassen. Dass immer irgendetwas gerade nicht funktioniert, ist man zwar gewohnt, dass aber nichts mehr funktioniert, dass alle Geräte der modernen Technik gleichzeitig ausfielen, wäre der ultimative Störfall, der nicht mehr zu beheben wäre und der unter den Bedingungen der nahezu allgegenwärtigen Technisiertheit nur als Katastrophe gedacht werden kann, als völliger Zusammenbruch von Handlungsfähigkeit und völliges Aussetzen von Sinn. Der moderne Mensch ist abhängig von der modernen Technik, nicht nur in praktischer Hinsicht, sondern nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Sinnstiftung, die von ihrem Besitz und ihrem Einsatz auszugehen scheint.
Günther Anders schreibt: „Was uns prägt und entprägt, was uns formt und entformt, sind (…) die Geräte selbst: die nicht nur Mittel möglicher Verwendung sind, sondern durch ihre festliegende Struktur und Funktion ihre Verwendung bereits festlegen und damit auch den Stil unserer Beschäftigung und unseres Lebens, kurz: uns.“ [5]
Dieses Wir, also die Menschen unter den Bedingungen der technischen Moderne, wird von Anders als entmündigt und entmächtig gedacht, geradezu seines Statusses als handelndes Subjekt beraubt, überwältigt von der objektiven Übermacht einer dinghaft gedacht Technik, denn, so Anders: „(…) jedes Gerät trägt eine bestimmte Anweisung und einen bestimmten Anspruch in sich. Und auf Grund seines festliegenden Behandlungs- und Verwendungsanspruchs hindert es uns daran, es unsererseits auf unsere Art anzusprechen. — In anderen Worten: Wir sind der Möglichkeit beraubt, auf sie [gemeint wohl sind die Geräte, St.B.] individuell zu reagieren oder sie individuell zu verwenden (…) Und derartiges zu versuchen, wäre blanker Unsinn. (…) Was von den Einzelgeräten gilt, die es ja genau genommen nicht mehr gibt, trifft natürlich erst recht auf die uns umgebende Gerätewelt als ganze zu. Da sie uns aufs bestimmteste in Anspruch nimmt, und zwar uns alle auf nahezu identische Weise, sind wir der Fähigkeit beraubt, sie so oder so anzusprechen — kurz: die Gerätewelt schaltet uns diktatorischer, unwiderstehlicher und unentrinnbarer gleich, als es der Terror oder die dem Terror untergeschobene Weltanschauung eines Diktators jemals tun könnte, jemals hat tun können. Hitlers und Stalins erübrigen sich heute.“ (ebd., S. 508)
Spätestens hier muss ich in mehrfacher Hinsicht Einspruch erheben. Die moderne Technik ist weder unentrinnbar, noch unwiderstehlich noch auf eine Weise diktatorisch, die sinnvoll mit den Schreckensherrschaften des Nationalsozialismus oder Bolschewismus verglichen werden könnte. — Im Übrigen gab es auch gegen die Diktaturen der Hitlers und Stalins mehr oder minder wirksamen Widerstand.
Anders irrt. Es stimmt einfach nicht, dass die Geräte der modernen Technik zu Handelnden geworden wären, oder auch nur, dass sie denen, die sich ihrer bedienen, die Art und Weise der Bedienung unbedingt zwingend vorschrieben. Selbstverständlich hat auch ein modernes technisches Gerät eine spezifische Beschaffenheit, die über die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten seiner Verwendung entscheidet. Das war freilich schon bei Geräten der vormodernen Technik nicht anders, man denke nur an das von mir vorhin erwähnte Beispiel von Löffel, Hammer und Gabel. Nun mag es für die moderne Technik charakteristisch sein, dass ihre Geräte einerseits hochspezialisiert sind und daher spezielle Bedienungsweisen erfordern, andererseits sind jedoch mit diesen Bedienungsweisen die Zwecke des Bedienens nicht mit vorgegeben, sondern im Rahmen des technisch Möglichen völlig offen — was übrigens auch für vernetzte oder zu Systemen zusammengeschlossene Geräte gilt.
Hiezu ein beliebiges Beispiel. Man kann mit einem Automobil zwar gewöhnlich nicht durch die Luft fliegen, sondern nur auf der Straße fahren, aber welche der befahrbaren Straßen man fährt, wird durch das Automobil selbst nicht festgelegt. Zudem haben auch unter den Bedingungen der automobiliserten Gesellschaft nicht alle Menschen ein Auto. Und diejenigen, die eines haben, verwenden es nicht alle auf dieselbe Weise und nicht alle zu denselben Zwecken. Selbst durch den Einsatz eines Navigationsgerätes wird der Fahrer nicht vom Steuer verdrängt, auch diese Verbindung von fahrbarem Untersatz und routenplanender Kommandokiste kann Gehorsam gegenüber ihren Verhaltensvorschlägen nicht erzwingen — was jeder weiß, der einmal miterlebt hat, dass bei eingeschaltetem Navi eine andere als die errechnete Strecke gefahren wird und wie sinnlos und objektiv verzweifelt die Befehle des Gerätes dann verhallen …

6. Hoffnung oder Angst
Günther Anders irrt sich also meiner Meinung nach, was die Eigendynamik der modernen Technik betrifft. Oder er vielmehr: er täuscht, nämlich bewusst, durch maßlose Übertreibung. Nun ist selbst mir, der ich wenig von Anders weiß, noch weniger von ihm verstehe und ihm kaum jemals zustimme, selbst mir also durchaus bekannt, dass Anders Übertreibung als seine bevorzugte Methode betrachtet. Er behauptet, „daß es Erscheinungen gibt, bei denen Überpointierung und Vergrößerung sich nicht vermeiden lassen; und zwar deshalb nicht, weil sie ohne diese Entstellung unidentifizierbar oder unsichtbar bleiben würden; Erscheinungen, die uns (..) vor die Alternative ‘Übertreibung oder Erkenntnisverzicht’ stellen. (ebd., S. 26)
Anders will also übertreiben, um erkennen zu können. Gerne vergleicht er zur Rechtfertigung seiner Methode diese mit optischen Geräten, mit Mikroskop und Teleskop nämlich, die allzu Kleines oder allzu Fernes, das sonst dem Blick entzogen wäre, dem menschlichen Auge zugänglich machen. In diesem Vergleich steckt für mich allerdings auch ein entscheidender Ansatzpunkt für Kritik. Während nämlich durch Mikroskopie und Teleskopie zwar Objekte so gezeigt werden, als hätten sie eine bestimmte, der menschlichen Sehfähigkeit angepasste Größe, käme doch niemand auf die Idee, zu behaupten, die fraglichen Objekte seien tatsächlich so groß, wie sie sich im Mikrosokop oder Teleskop zeigen. Anders hingegen übertreibt nicht nur, um etwas erkennbar zu machen, er besteht auch darauf, dass das so Erkannte sich genau so verhält, wie es sich in der Übertreibung zeigt. Nur darum kann er ja auch behaupten: „(…) was heute wie eine Übertreibung aussieht, wird morgen wie eine nüchterne Schilderung aussehen.“ (ebd., S. 509)
Nun werden üblicherweise Prognosen auf der Grundlage von Diagnosen erstellt. Anders kehrt das Verhältnis um. Er erklärt seine auf einer verzerrten Wahrnehmung und Darstellung des Gegebenen beruhenden Prognosen zu vorweggenommenen Diagnosen. Damit kollabiert die Alternative von Übertreibung und Erkenntnisverzicht und die Übertreibung wird zum Verzicht auf Erkenntnis. Nicht wie etwas wirklich ist, interessiert Anders, sondern welche persönlichen Phantasien sich damit für ihn verbinden. Die gibt er dann als die unvermeidliche Zukunft aus, von der her die Gegenwart erklärt werden müsse.
Charakteristischerweise befassen sich die Andersschen Übertreibungen stets nur mit dem Schlechten. Nie werden die guten Seiten einer Sache hervorgehoben, immer nur ihre Nachteile, immer geht es nur um Verlust, Schaden, Verfehlung, Zerstörung, kurz ums Unheil. Ausschließlich das unterstellte Böse interessiert Anders, niemals das erkennbar oder erwartbar Gute. Es steht mir nicht zu, den Gemütszustand eines Denkers zu beurteilen, der zwanghaft so verfährt, dass ihm alle Kritik zu Nörgelei, Anklage, Unheilsprophezeiung gerät. Denn wär’s auch Wahnsinn, es hätte doch Methode.
Anders will nämlich erklärtermaßen Hoffnung verhindern und Angst machen. Er schreibt: „Ich glaube Hoffnung ist nur ein anderes Wort für Feigheit. (…) Nein, Hoffnung hat man nicht zu machen, Hoffnung hat man zu verhindern. Denn durch Hoffnung wird niemand agieren. Jeder Hoffende überläßt das Besserwerden einer anderen Instanz. (…) Aber in der Situation, in der nur Selberhandeln gilt, ist ‘Hoffnung’ nur das Wort für Verzicht auf eigene Aktion.“ [6]
An anderer Stelle schreibt Anders: „(…) was uns vor allem fehlt ist, ist ‘freedom to fear’, das heißt: die Fähigkeit, angemessene Angst, dasjenige Quantum an Angst aufzubringen, das wir leisten müßten, wenn wir uns von der Gefahr, in der wir schweben, wirklich frei machen, also die ‘freedom from fear’ wirklich gewinnen wollen. Worum es geht, ist also: to fear in oder to be free; Angst zu haben, um frei zu werden; oder um überhaupt zu überleben.“ (Anders, S. 258)
Das ist so unverkennbarer Unsinn, dass sogar eine sonst überaus wohlwollende und zustimmungswillige Interpretin wie Margret Lohmann an dieser Stelle die Gefolgschaft verweigert: „Mit äußerster Vorsicht ist Anders’ normative Mobilisierung der Angst im fortschrittsverblendeten ‘Zeitalter der Unfähigkeit zur Angst’ besonders aus sozialpsychologischer Sicht zu betrachten. An diesem praktisch bedeutsamen Punkt zeigt sich zudem, welche kontraproduktiven Konsequenzen es haben kann, wenn philosophische Zeitanalyse in grundlegenden Gebieten keinen Seitenblick auf die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Phänomenen der Gegenwart wirft, sondern ihnen wie Anders in philosophischer Einsamkeit die eigene Deutung aufsetzt. Wie Gerhard Vinnai in einer Replik auf Anders überzeugend vorbringt, ist die Vernüpfung von Vernichtungsangst und Moralbewußtsein sozialpsychologisch untragbar. Sie beruht auf der Abstraktion von gesellschaftlichen Gegebenheiten zugunsten einer Fixierung auf die Technik, worin sich erneut rächt, daß Anders Gesellschaftsanalyse ausschließlich als Teil der Technikanalyse betreibt. So gesehen liegt er zwar richtig, wenn er den von ihm beobachteten Mangel an Angst vor der realen technischen Gefahr für irrational hält. Sobald man die gesellschaftliche Ebene miteinbezieht, zeigt sich aber, daß er das Vorhandensein von Ängsten gravierend unterschätzt. Die Alltgaspraxis in den vom Konkurrenz- und Leistungsprinzip geprägten hochindustrialisierten Gesellschaften der westlichen Welt ist von tiefen, oft unsichtbaren und unbewußten Ängsten durchzogen. Sie schlagen sich auch in ihrem Verhältnis zur Technik nieder (…).“ [7]
Anders irrt sich also, wenn er seine Hoffnung in die Angst setzt, und er irrt sich gewaltig. Weder Angst noch Hoffnungslosigkeit tragen etwas dazu bei, dass Menschen ihre Lage angemessen beurteilen können, oder gar dazu, dass sie anfingen, sich gegen das, was sie bedrückt und sie unterdrückt zur Wehr zu setzen. Ganz im Gegenteil. Angst ist eine schlechte Ratgeberin. Angst verzerrt die Wahrnehmung, verfälscht die Einschätzung und schwächt oder brutalisiert die Handlungsbereitschaft. Wer Angst hat, verkriecht sich oder schlägt um sich. Angst schlägt allenfalls in Hass um, sie führt nie zu vorurteilsfreier Analyse oder gar konstruktivem Engagement. Angst entpolitisiert, und Hoffnungslosigkeit lässt nicht agieren. Wer ohne Hoffnung ist, ist auch ohne Ziel. Er hat keine Veranlassung, irgendetwas zu tun, geschweige denn, seine als schlecht erkannte Lage zu ändern. Hoffnungslosigkeit ist Perspektivlosigkeit und Ängste fördern allenfalls das Ausleben von Ressentiments. Damit ist dann, wie die Realität entgegen anderslautender philosophischer Spekulation zeigt, ein guter Nährboden geschaffen für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, für die Ablehnung von Vielfalt und Andersheit, für die Sehnsucht nach vermeintlich unanfechtbarem Recht und vermeintlich althergebrachter Ordnung und deren rücksichtslose Durchsetzung, für rechtsextremistische oder scheinbar linksradikale sowie für fundamentalistische Umtriebe.
Bei Günther Anders selbst haben die Verweigerung von Hoffnung die Vorliebe für Angst schließlich zum verbalen Terrorismus geführt. Als ihm nichts anderes mehr einfiel, verlegte er sich aufs Töten oder Tötenwollen, genauer: auf die Aufforderung dazu. „Macht diejenigen kaputt, die bereits sind, euch kaputtzumachen“, gab er 1986 als Devise aus. (Vgl. Bissinger, S. 153) Es wäre leicht, gerade mit Andersschen Analysen die Sinnlosigkeit derartiger Gewaltsamkeiten aufzuzeigen. [8] In einem System totaler Herrschaft bringt es nichts, die vermeintlichen Akteure umzubringen, nicht sie sind es, die herrschen und agieren, sondern das System selbst. Terrorismus ist allenfalls Ausdruck einer in Allmachtsphantasien umschlagenden Ohnmacht, nicht systemverändernde politische Aktion.
Gleichwohl sollte man die späten Andersschen Aufrufe zur Gewalt nicht nur gegen Sachen, sondern ausdrücklich auch gegen Personen nicht als senile Agressionsbereitschaft abtun und herunterspielen, sondern sie als Konsequenz eines philosophischen Programms ernst nehmen, dass das Schlechte immer übertrieben mächtig und als unvermeidliche Realität darstellen, das Hoffnung verhindern und Angst machen wollte.

7. Politische Folgerungen
Günther Anders hat behauptet, dass „technische Erfindungen niemals nur technische Erfindungen sind. Nichts ist irreführender als die (…) ‘Philosophie der Technik’, die behauptet, Geräte seien erst einmal ‘moralisch neutral’: stünden also zu beliebigem Gebrauch frei zur Verfügung; das einzige, worauf es ankomme, sei wie wir sie benutzen; welchen Gebrauch wir nachträglich von ihnen machen, einen humanen oder inhumanen, einen demokratischen oder antidemokratischen. Diese sehr weit verbreitete These muß bekämpft werden.“ (Anders, S. 519)
Ich bin da anderer Meinung als Anders. Die These von der moralischen Neutralität muss nur richtig gedeutet — und sollte dann unbedingt verbreitet werden. Was heißt das? Man mag mich für einen humanistischen Romantiker oder romantischen Humanisten halten, aber ich bin nach wie vor fest davon überzeugt, dass es einen unaufhebbaren Unterschied von Person und Sache, Mensch und Ding gibt. Und es sind nach wie vor nicht die Dinge, die handeln, sondern die Menschen. Darum beherrschen nach wie vor nicht die Dinge die Menschen, sondern die Menschen die Dinge und mittels der Dinge einander. Nur deshalb ist ja politisches Engagement nicht nur nötig, sondern auch möglich. Nicht zuletzt solches politisches Engagement, das sich kritisch und mit dem Willen zur Veränderung mit der Technisierung der Gesellschaft befasst.
Meiner Meinung nach, die ich hier zu begründen versucht habe, sollte man, wenn man von Technik spricht, genau unterscheiden, ob man technische Verfahren oder ob man technische Geräte meint. Geräte sind Dinge. Ein Ding aber ist im moralischen Sinne niemals gut oder schlecht, es ist so und so beschaffen und zu diesem oder jenem tauglich oder untauglich. Erst der Gebrauch, der von einem Ding gemacht wird, kann sinnvollerweise Gegenstand moralischer Problematisierung sein.
Dies gilt sogar für Dinge, deren bloße Existenz bedrohlich oder gar schädlich ist. Man nehme das Beispiel der Atombombe. Solche Waffen zu konstruieren, sie herzustellen und sie zu lagern — auch das sind im Grunde bereits Weisen, Gebrauch von ihnen zu machen, der Gebrauch besteht also nicht erst darin, sie zu zünden. Das Ding Atombombe für sich genommen wäre nun zwar moralisch neutral, aber es ist immer schon eingebettet in menschliche Praktiken, die als solche eben nicht moralisch neutral sind, sondern als gut oder schlecht beurteilt werden können. Eben darum müssen Verfahren kritisiert und nicht Geräte dämonisiert werden.
Praxis ist primär, und nur innerhalb dieser oder jener Praxis kommen Dinge überhaupt vor. Darum gibt es auch keine Eigendynamik der Dinge, sondern nur Dynamiken des Gebrauchs der Dinge. Nicht Auto, Computer, Handy usw. haben die Realität, in der der moderne Mensch lebt, verändert und bestimmen sie, sondern der Gebrauch, der von Autos, Handys, Computern usw. gemacht wird, hat die Weise der Menschen, sich in der Welt und zur Welt zu verhalten, verändert und bestimmt zunehmend auch das Verhalten der Menschen zueinander.
Ein technisches Gerät kann so lange im Laden herumliegen oder herumstehen, wie es will, es kann mich nicht zwingen, es zu kaufen und zu verwenden. Sehr wohl aber kann der, wie ich es hier genannt habe, soziokulturelle Kontext, die konkrete soziale und kulturelle Situation, in der ich mich befinde, meine Bereitschaft, technisches Gerät besitzen und verwenden zu wollen, entscheidend beeinflussen. Nicht von den Dingen selbst, sondern von den Praktiken meiner Umgebung gehen die Zwänge oder Anregungen aus, die mich in Techniken einbinden. Auch in diesem Sinne geht der Gebrauch eines Gerätes diesem immer voraus.
Nun besteht für den modernen Menschen gewiss eine umfassende Vereinnahmung durch Technik, die nicht nur zu mehr oder minder festen Gewohnheiten, sonder auch zu realer Abhängigkeit führt. Allerdings ist diese Abhängigkeit nie absolut, sondern immer relativ. Von Grenzfällen abgesehen, etwa wenn jemand an ein Beatmungsgerät angeschlossen ist und ohne dieses ersticken müsste, braucht der Mensch zwar Luft, weil er atmen muss, Wasser, weil er trinken muss, und Nahrung, weil er essen muss, aber er braucht nicht im selben Sinne moderne Technik. Er kann ohne dieses oder jenes einzelne Gerät auskommen, auch ohne eine ganze Reihe von Geräten und sogar, wenn’s drauf ankommt, ohne alle modernen technischen Geräte. Aber er will sie haben und meint, sie zu benötigen, weil er ohne sie in der Gesellschaft und Kultur, in der er nun einmal lebt, ein Abweichler und geradezu ausgeschlossen wäre. Moderne Technik mag ansonsten leisten, was sie will, sie dient auch und nicht zuletzt der Befriedigung von Bedürfnissen nach Anerkennung und Geltung, nach Unterhaltung, Information, Zerstreuung, nach Selbstdarstellung und Eingebundenheit.
Technikkritik muss also, wenn sie wirklich an die Grundlagen der Technik heranwill, Gesellschaftskritik sein, Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse. Anders gesagt, wer kritisch über Technik reden will, darf vom Kapitalismus nicht schweigen. Ich kann das Kritikwürdige hier freilich nur andeuten, nicht ausführen. Ich will hier nur die Richtung angeben, in die man weiterdenken kann, aber auch jene Richtung aufzeigen, die ich für eine Sackgasse halte.
Kapitalistische Verhältnisse mit ihren Prinzipien der Profitmaximierung und der Konkurrenz bilden die Voraussetzung der Durchsetzung moderner Technik und werden umgekehrt durch moderne Technik unterstützt und gefördert. Moderne Technik aber folgt den Prinzipien moderner Naturwissenschaften, für die, wie erwähnt, die Welt aus Dingen und den Verhältnissen von Dingen zueinander besteht, weshalb für sie auch Menschen nur Dinge unter Dingen sind. Kritik an der modernen Technik hätte darum unbedingt auch Kritik an deren Grundlegung durch die modernen Naturwissenschaften zu sein. Kapitalismus, Technisierung, naturwissenschaftliche Ideologie: all das läuft auf Selbstverdinglichung des Menschen hinaus, also auf das Bestreben und die Gewohnheit, sich und andere wie Dinge zu begreifen und zu behandeln.
Dieses Drang zu allgemeiner Verdinglichung geht aber, um es noch einmal zu sagen, gerade nicht von den Dingen aus, sondern von den Menschen. Es ist ihr Tun und Lassen und nicht das Vorhandensein von Geräten, das darüber bestimmt, was Technik ist und wozu sie führt.
Wird hingegen die Herrschaft der Technik im Sinne einer Herrschaft der Dinge behauptet, trägt dies unweigerlich dazu bei, eine Ideologie zu propagieren, die auf unzulässige Weise entlastet. Wer nämlich an die Ohnmacht der Technik als Verbund von Praktiken und an die Übermacht der Technik als System von Geräten glaubt, der kann sich sagen: Ich bin nur ein kleines Rädchen in einem großen Getriebe, dessen Zusammenhänge, Wirkungen und Zwecke ich nicht überblicke, die Realität, in der ich mich bewege, ist zu komplex, als dass ich sie mir vorstellen, geschweige denn sie analysieren und beurteilen könnte, ich weiß nichts von irgendwelchen Zielen des Ganzen, fast alles scheint mir beliebig und austauschbar, ich bin eingebunden in eine allgemeine Unverbindlichkeit, ich bin im Grunde gar kein Handelnder, sondern an mir wird gehandelt, ich bin kein Täter, sondern ein Mittuender, ich funktioniere, ich bin angepasst, bin eingefügt in Systeme, man bestimmt über mich, ich schwimme mit dem Strom — oder vielmehr: ich schwimme nicht, ich lasse mich treiben, ich werde getrieben.
Einer solchen Selbst- und Weltsicht erteile ich eine klare Absage. Technik ist menschliches Handeln und als solches immer schon ein ethisches, ja politisches Verhalten. Martin Heidegger hat bekanntlich postuliert, das Wesen der Technik sei nichts Technisches. Ich bin ausnahmsweise bereit, dem zuzustimmen und eine These zu wagen. Ich sage: Das Wesen der Technik ist etwas Ethisches. Technik ist Praxis und als solche kann sie Gegenstand ethischer und politischer Kritik sein, einer Kritik, die darauf hinaus will und kann, die als schlecht begriffenen gesellschaftlichen Verhältnisse zu verändern. Ich hatte mit einem Zitat von Mike Cooley begonnen und möchte meinen Vortrag mit einem Zitat von ihm beenden. Er schreibt: „Wissenschaft und Technologie sind nicht neutral, sondern reflektieren die ökonomische und politische Basis, aus der sie hervorgebracht werden. (…) Wenn wir technologische Systeme entwerfen, entwerfen wir tatsächlich soziale Beziehungen, und wenn wir diese hinterfragen und entsprechend andere Systeme zu entwickeln versuchen, beginnen wir die Machtstrukturen einer Gesellschaft in fundamentaler Weise zu verändern.“ (Cooley, Mike: Architect or Bee. The Human Price of Technology, London 1987 S. 187)


[1] Entgegen den Erwartungen mancher, die im Herbst 2009 dem Vortrag zuhörten, dessen Überarbeitung der vorliegende Text darstellt, geht es mir hier nicht primär um Günther Anders. Diesbezügliche Missverständnisse wurden wohl einerseits durch den Rahmen des Vortrags, die Günther-Anders-Tage, andererseits durch den damaligen Untertitel, „Zu Begriffen von Technik, nicht nur bei Günther Anders“ bedauerlicherweise befördert. Mein Ansatz ist allerdings ein ganz anderer als der einer Anders-Exegese. Ich frage mich nicht, was sagt Anders zu dem und dem Thema, sondern ich beschäftige mich mit dem und dem und ziehe dazu, in diese Fall: um eine Gegenposition aufzuzeigen, bestimmtes Textmaterial heran. Dass sich, zumal bei einem über lange Zeit hinweg so produktiven Autor wie Günther Anders, auch anderes Material finden ließe, das das jeweils Zitierte relativiert oder ihm gar widerspricht, soll gar nicht geleugnet werden. Für die Zwecke meiner hier vorgelegten Argumention zählt freilich nur das, was das Zitierte ausdrücklich besagt, und nicht das, was in anderen möglichen Zitaten möglicherweise anders gesagt wird. Dem (unfreiwilligen) Lieferanten von Zitaten geschieht ja kein Unrecht, wenn er das, was zitiert wird, auch tatsächlich geschrieben hat. Mein Vorgehen scheint mir auch deshalb legitim, weil es sich nicht als philologisch versteht, sondern als philosophisch, weil mein Denken nicht an althergebrachten Kategorien wie „Autor“ und „Werk“ interessiert ist, sondern an der Sache, die in Texten verhandelt wird. Dass ich dabei, anders als andere Rezepientinnen und Rezepienten, Anders und seinen Schriften weder mit Faszination noch mit Sympathie gegenüberstehe, ist freilich kein Geheimnis. (Vgl. Broniowski, Stefan: „Der überschätzte Unbekannte. Günther Anders: Ein Philosoph oder doch nur ein Prophet?”, in: Bahr, Raimund / Röpcke, Dirk (Hg.): Geheimagent der Massereremiten. Günther Anders, St. Wolfgang 2002) Ich erwähne dies deshalb, um vielleicht zu einer Diskussion in der Sache zu kommen, bei der nicht immer wieder das Argument auftaucht: Aber Anders hat doch auch gesagt …
[2] Der Einfachheit halber sehe ich von einigen eher randständigen Nebenbedeutungen ausdrücklich ab, die als „die Technik“ beispielsweise ein Gruppe von Mitarbeitern eines Betriebes, also die Technikabteilung, bezeichnen oder mit der „Technik“ schlicht die Technische Universität meinen.
[3] Hier ein paar Beispiele: Das von Gerhard Wahrig herausgegebene „Deutsche Wörterbuch“ (Ausgabe 1986) erläutert Technik als „im weiteren Sinne (die) Kunst, mit den zweckmäßigsten und sparsamsten Mitteln ein bestimmtes Ziel oder die beste Leistung zu erreichen, im weiteren Sinne (die) Gesamtheit aller Mittel, die Natur auf Grund der Kenntnis ihrer Gesetze dem Menschen nutzbar zu machen; Gesamtheit der Kunstgriffe, Regeln, maschinellen Verfahren auf einem Gebiet; Herstellungsweise, Verfahren; ausgebildete Fähigkeit, Kunstfertigkeit.“
Dem „Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache“ zufolge ist Technik „1. Anwendung der naturwissenschaftlichen und mathematischen Kenntnisse in Form von Methoden, Verfahren, Apparaturen, Geräten und Maschinen zur Beherrschung der Naturkräfte auf einer gegebenen Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung; 2. maschinelle und industrielle Einrichtung, Ausrüstung in der (materiellen) Produktion; 3. Konstruktion, Mechanik und Wirkungsweise einer Maschine, eines Gerätes, Fahrzeuges, eines Gebrauchsgegenstandes, der auf mechanischer oder elektronischer Basis funktioniert; 4. Methode des rationalen Vorgehens bei der Tätigkeit in einem beliebigen Bereich der menschlichen Praxis, des gesellschaftlichen Lebens.“
Im „Deutschen Universalwörterbuch“ (1989) der Marke „Duden“, wird Technik ganz ähnlich bestimmt als: „1. alle Maßnahmen, Einrichtungen und Verfahren, die dazu dienen, die Erkenntnisse der Naturwissenschaften für den Menschen praktisch nutzbar zu machen; 2. besondere, in bestimmter Weise festgelegte Art, Methode des Vorgehens, der Ausführung von etwas; 3. technische Ausrüstung, Einrichtung für die Produktion; 4. technische Beschaffenheit eines Geräts einer Maschine oder Ähnlichen.“
Das „Taschenwörterbuch Deutsch als Fremdsprache“ aus dem Hause Langenscheidt schließlich definiert Technik kurz und knapp so: „1. alle Mittel und Methoden, mit denen der Mensch die Natur und die Wissenschaft praktisch nutzt; 2. Maschinen und Geräte; 3. die Art, wie ein Gerät funktioniert.“
[4] Um meine Argumentation nicht zu verkomplizieren, gehe ich auf den Begriff der Technologie hier überhaupt nicht ein. Auch lasse ich Phänomene wie Software völlig außer Betracht, deren Status zwischen Ding und Tun, Vorschrift und Materialisierung erst eigens zu klären wäre.
[5] Anders, Günther: Die Antiquiertheit des Menschen. Ausgabe in einem Band, München o.J., S. 104.
[6] Anders in: Bissinger, Manfred (Hg.): Gewalt — ja oder nein. Eine notwendige Diskussion, München 1987, S. 32f.
[7] Lohmann, Margret: Philosophieren in der Endzeit. Zur Gegenwartsanalyse von Günther Anders, München 1996, S. 315.
[8] „Der gigantische Bedrohungsapparat, der die Essenz des heutigen Notstandes ist, hängt durchaus nicht vom subjektiven Willen der Einzelnen ab, die ihn an hohen Stellen scheinbar selbstverantwortlich dirigieren. Vielmehr ist er das komplizierte und undurchschaute Resultat einer von allen geteilten Lebensweise. Wer in ihm tätig ist, ist dort als Funktionsträger tätig, und einem Funktionsträger, der aus ihm verschwindet, folgt der Ersatzmann auf dem Fuß. Nichts wäre also gewonnen, wenn Einzelne dort ‘ineffektiv’ gemacht würden und verschwänden. Eine solche Argumentation, die die Vergeblichkeit von Gewalt im heutigen Notstand betont, läßt sich aus Anders’ Texten selbst herleiten. Hat er nicht die heutige Situation als objektiv böse und unmoralisch bestimmt, als Zustand, in dem Unmoral rettungslos zum ‘objektiven Geist’ geworden ist? Aus der Unmoral des Geistes gibt es kein — auch kein gewaltsames — Zurück zur Unschuld des Guten, und daß vorne irgendein Ausweg durch Gewalt gegen Einzelne in diesem objektiven Universum der Unmoral sich eröffnen ließe, ist mehr als absurd.“ (Reimann, Werner: Verweigerte Versöhnung. Zur Philosophie von Günther Anders, Wien 1990, S. 162 f.)